Zum Thema "Insektenschutz und Landwirtschaft – Woher kommen zukünftig unsere Lebensmittel?" diskutierten wir mit Ministerin Siegesmund und dem Präsidenten des Thüriner Bauernverbandes, Dr. Wagner.
"VIRTUELLES CAFÉ" auf ein Wort mit ...
Im Virtuellen Café der Thüringer Arbeitgeber- und Wirtschafsverbände hieß es am Donnerstag wieder "Auf ein Wort Frau Ministerin? Insektenschutz und Landwirtschaft – Woher kommen zukünftig unsere Lebensmittel?"
Zu Gast im dritten Virtuellen Café waren die Thüringer Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz, Anja Siegesmund, und der Präsident des Thüringer Bauernverbandes Dr. Klaus Wagner.
Thüringer Landwirtinnen und Landwirte sowie Entscheidungsträger aus der Thüringer Wirtschaft diskutierten die praktischen Auswirkungen des Insektenschutzgesetzes, dass am 10. Februar 2021 vom Bundesrat auf den Weg gebracht wurde. Es sieht vor, Biozide und Herbizide in Naturschutzgebieten zu verbieten und artenreiches Grünland - wie Streuobstwiesen - unter Biotopschutz zu stellen. 76 Gäste hatten sich virtuell zugeschaltet.
"Die Landwirtschaft ist systemrelevant mit 3.600 landwirtschaftlichen Betrieben in Thüringen mit 20.000 Beschäftigten.
Öffentliches Geld steht für öffentliche Güter zur Verfügung.
Unser Fokus liegt auf Erzeugung regionaler Produkte.
Es geht auch um den Erhalt der Artenvielfalt – Bestäuber sind bedroht. In Thüringen sind auch 62 Prozent der Tagfalter und 65 Prozent der Bienen bedroht."
Ministerin Anja Siegesmund
Foto: TMUEN
"Der Insektenschutz geht am Ziel vorbei und auch darüber hinaus. Wenn Pflanzenschutzmittel in Schutzgebieten nicht mehr angewendet werden dürfen, fällt die Förderung für freiwillige Maßnahmen weg. Hinzu kommt, dass sich in Thüringen 75.500 Hektar Acker- und Grünland in Schutz-gebieten befinden, das sind 10 Prozent der gesamten Fläche, die für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung wegfallen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln geht seit 2015 zurück. Das Insektenschutzprogramm verbietet Pflanzenschutzmittel, doch biologische Landwirtschaft ist nicht überall möglich. Freiwillige Maßnahmen sind nicht mehr möglich, verlieren ihre Förderfähigkeit – durch das Gesetz. Biodiversität ist ein globales Problem und es muss auch global gelöst werden, vor allem gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten. Eine reine Verbotspolitik schadet uns."
Dr. Klaus Wagner
Präsident des Thüringer Bauernverbandes
"Wir düngen seit 20 Jahren freiwillig einige Flächen nicht, noch werden sie mit Pflanzenschutzmitteln behandelt. Mit dem Gesetz fällt die Förderung weg und damit eine existenzielle Einkommensquelle von 46.000 Euro. Ohne Fördermittel für extensive Bewirtschaftung von Grünflächen ist die Fütterung von Milchkühen schwierig. Bisher war das ein Plus-Minus-Null-Geschäft, brachte aber Fleisch und Milch für die Region. Die öffentliche Förderung deckte bisher die Kosten. Dann erwäge ich, die Milchkuh abzuschaffen."
Nicole Lombardi,
Geschäftsführerin, Krug & Partner Agrar GmbH
"Ich schließe mich den Ausführungen von Frau Lombardi an. Wir haben viel artenreiches Grünland mit einigen Blühwiesen und sind abhängig von den Fördermitteln. Wir reden über 120.000 Euro. Wenn die nicht mehr kommen, können wir nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. Bisher konnten wir etwas für das Umland tun. Das geht aber nur, wenn die Betriebe wirtschaftlich stark sind und nicht unter den Lasten der immer neuen Auflagen leiden."
Simone Hartmann,
Geschäftsführerin, TZG Ernstroda GmbH
"Bisher haben die Landwirte freiwillig agiert und sind vom Land finanziell gefördert wurden. Wenn das jetzt ordnungspolitisch geregelt wird, mit dem Ziel, dass sich alle anpassen, ob es sinnvoll ist oder nicht, wird damit auch viel Vertrauen verspielt. Wir haben Angst, was als Nächstes kommt. Wir brauchen Austausch auf Augenhöhe.
Steffen Steinbrück,
Vorstand, Erzeuger-Genossenschaft Neumark eG
"Ein weiteres Problem ist der Widerspruch zwischen den Zielen: bei bodenschonender, erosionsmindernder und CO2 sparender Bodenbearbeitung kann ich nicht auf Glyphosatanwendung verzichten."
Nicole Lombardi,
Geschäftsführerin, Krug & Partner Agrar GmbH
"Nach unserer Rechnung im Ministerium, und ich hoffe, wir haben die gleichen Grundlagen, gehen wir von 31.000 Hektar aus, die dann zu den Schutzgebieten gehören werden. Vogelschutzgebiete, Ackerland und FFH-Gebiete gehören nicht dazu."
Ministerin Anja Siegesmund
"Um auf Frau Lombardi zu antworten: Fördermittel dürfen nicht wegfallen. Wir zahlen öffentliche Gelder für öffentliche Güter. Die Förderung wird weiter möglich sein."
Ministerin Anja Siegesmund
"Die komplette Umstellung von Biofleisch gibt der Markt nicht her. Es ist teurer und wird nicht so nachgefragt, wie sich das die Grünen vielleicht wünschen."
Nicole Lombardi,
Geschäftsführerin, Krug & Partner Agrar GmbH
In der Diskussion stellten wir den Gästen zwei Fragen am Anfang und am Ende:
In der Diskussion wurde deutlich, dass es viel Gesprächsbedarf zur Umsetzung des Insektenschutzgesetztes gibt. Die Landwirtinnen und Landwirte forderten mehr Austausch auf Augenhöhe und vor allem wirtschaftliche Planbarkeit, die durch zu viele Auflagen und zu wenig Fachkompetenz seitens der Politik gefährdet ist. Bauernpräsident Dr. Wagner verwies darauf, dass die Zahlen zu den künftigen Schutzgebieten stimmen, und Frau Siegesmund bot an, dass bilateral zu klären.
Aufgezeichnet von Dr. Ute Zacharias, Verbandssprecherin
Quelle: Thüringer Allgemeine vom 17. April 2021
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